miðvikudagur, nóvember 25, 2009

Mauer

Gestern, der 9. November, ist ein sehr wichtiger Tag in der deutschen Geschichte: 20 Jahre sind vergangen, seitdem die Mauer gefallen ist. 20-Jahre Mauerfall ist die Schlagzeile auf jeder Zeitung und die Deutschen scheinen, über nichts anderes sprechen zu können.

Man würde sogar erwarten, im Vergleich zur Wichtigkeit, die dieser Tag für die Leute hat, dass er ein freier Tag, oder sogar der Nationalfeiertag des jungen, vereinigten Deutschlands wäre, aber nein: Dies ist ein ganz normaler Montag, während der Nationalfeiertag, der sogenannte Tag der deutschen Einheit, bereits vorher in Oktober gefeiert wurde. Ich vermute, dass dies der Tag ist, an dem sich Ost- und West-Deutschland formell vereinigten. Wie Deutsch ist das! Der dramatische 9. November findet wenig Beachtung, aber der Tag, an dem ein Stempel einem trockenen Vereinigungsvertrag aufgedrückt wurde, ach, denn soll man durch alle Zeitalter feiern!

Anyway. Wegen alledem wurde irgendeine riesige Show beim Brandenburger Tor geplant. Guðrún Elsa und ich wollten dorthin spazieren und andere Isländer, die schon mitten drin waren, treffen. Da sollte es Reden von Gorbatschow, von Merkel, sogar von José Barroso dem Eurokraten geben (zu allgemeiner Begeisterung), ganz zu schweigen von der Musik von Bon Jovi, und am Ende sollte alles mit einem Feuerwerk übertroffen werden.

Aber als Guðrún und ich Unter den Linden, die Promenade, die zum berühmten Tor führt, betreten wollten, fanden wir eine Mauer, von bewaffneten Polizisten und Barrikaden. Grüne Sicherheitsdienstswagen standen überall, in großen Scharen, und eine harte Stimme rief in monotonem Befehlsdeutsch in ein Megaphon; diesen wunderschönen Apparat, der jedes stille und schüchterne Männchen in irgendeine faschistische Bedrohung verwandeln kann.

Da kann man verstehen, dass in ein Megaphon gerufenes Befehlsdeutsch in dieser Welt nichts anderes kann, als Bilder vom Zweiten Weltkrieg hervorzurufen, und dass bewaffnete Polizisten und Barrikaden, die verhindern, dass wir Kontak mit unseren Freunden dahinter aufnehmen können, nichts anders, als Bilder von der Berliner Mauer, hervorrufen können. Das war mehr als ein bisschen absurd. Ein älterer Penner fing an, den Polizisten “Die Mauer muss weg!” entgegenzuschreien: ein Schlagwort, das wahrscheinlich 20 Jahre lang hierherum nicht gehört worden war, aber die Polizisten wurden keineswegs zum Lächeln angeregt. Stattdessen haben sie wahrscheinlich ein Photo von ihm gemacht und ihn als einen innenpolitischen Extremisten registriert. Vielleicht hat ein ferner Heckenschütze das Gewehr auf ihn ausgerichtet und mit liebevollem Finger über den Abzug gestrichen.

Wir suchten weiter: Überall dasselbe, es gab ohne Zweifel mehrere Kilometer von Barrikaden und mehrere hundert Polizisten, alles um ein vor einem ziemlich jämmerlichen (zumindest im Vergleich zu isländischen Maßstäben) Feuerwerk, langweiligen, schmalzigen Reden und Bon Jovi zu schützen. Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass es, von meinem fernen Standpunkt aus gesehen, eine unglaublich gescheiterte Zeremonie war. Jedoch für die direkt unter dem Tor stehende Merkel muss das ganz prachtvoll erschienen sein, und Gleiches gilt für die Fernsehkameras und die Reporter, und somit für den größten Teil der Welt. Es ist merkwürdig, wie reale, wirkliche Leute in solchen Zeremonien immer im Weg zu sein scheinen.

Deswegen gingen Guðrún und ich, beide sehr belustigt, zur nächsten Kneipe, an Werbung über Handyfreiheit und den Sex der Reichen vorbei, und tranken Bier, auf die Macht.

Die Mauer muss weg!